Unterricht - aber sicher!!!

Pressemitteilung der GEW Kreisverbände Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern zum Schulstart

Ende vergangener Woche haben sich Vertreterinnen und Vertreter der GEW-Kreisverbände im Schulamtsbezirk Hanau/Main-Kinzig getroffen, um sich über ihre Erfahrungen mit dem Schulstart auszutauschen. Sie sind als Lehrerinnen und Lehrer sowie als Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen an Schulen im gesamten Schulamtsbezirk tätig.

Wovon werden ihre Erfahrungen mit den ersten Schultagen geprägt?

„Wir erleben in vielfältiger Hinsicht eine absurde Situation“, beklagen die Pädagoginnen und Pädagogen. Zum Schutz vor dem Coronavirus wird in allen Lebensbereichen Abstand und Vorsicht eingefordert, Masken müssen in öffentlichen Räumen getragen werden und Einschränkungen bestimmen unseren Alltag. An den Schulen scheint dies jedoch alles keine Rolle zu spielen. „Uns ist unverständlich, dass diese Maßnahmen, insbesondere das Abstandhalten, in den Klassenräumen verzichtbar sein sollen“, beklagt Jörg Engels, Gymnasiallehrer in Maintal und einer der Vorsitzenden des GEW-Kreisverbands Hanau. „Wir verstehen, dass der Abstand einem flächendeckenden Normalbetrieb an den Schulen entgegen steht. Aber von öffentlicher Seite so zu tun, als sei das alles kein Problem, ist nicht nur unverständlich, es ist auch inakzeptabel“, kritisiert Nicole Schleiff, Grundschullehrerin in Großkrotzenburg. Bereits zum Zeitpunkt der Öffnung der Grundschulen vor den Sommerferien war zweifelhaft, dass Kinder eine geringere Rolle für das Infektionsgeschehen spielen. Inzwischen wird diese vom Kultusministerium weiterhin vertretene Meinung mehrfach durch Untersuchungen namhafter Virologen in Zweifel gezogen. Angesichts dessen muss der Schutz aller im Vordergrund stehen. „Seid bitte ehrlich zu uns und nehmt eure Fürsorgepflicht war“, fordert Nicole Schleiff von Kultusministerium und Schulamt. Nicht erst seitdem das Coronavirus Einfluss auf das Schulleben genommen hat, fehlen Lehrkräfte. Seit dem neuen Schuljahr wurden deswegen die Möglichkeiten für Lehrkräfte, die Risikogruppen angehören oder mit besonders gefährdeten Angehörigen zusammenleben, sich vom Präsenzunterricht befreien zu lassen, stark eingeschränkt. Im entsprechenden Erlass aus dem Kultusministerium wird Lehrkräften, die wegen ihrer gesundheitlichen Disposition „Bedenken oder gar Ängste“ haben, versprochen, dass sie in großen Räumen mit ausreichender Belüftung eingesetzt und mit Schutzausrüstung ausgestattet werden. Fakt ist jedoch, dass die vom Land gelieferten Ausrüstungsgegenstände bei weitem nicht ausreichen und dass die Vorgaben, was die Räumlichkeiten betrifft, häufig schlicht nicht umsetzbar sind. Zudem müsste persönliche Schutzausrüstung allen Lehrkräften zur Verfügung gestellt werden, wie es die aktuelle Arbeitsschutzregel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für alle Arbeitsstätten fordert, in den kein Mindestabstand eingehalten wird. „Wir erleben, dass auch junge und bislang kerngesunde Menschen nach einer Infektion mit dem Virus schwerwiegende Organschäden davontragen oder unter neurologischen Problemen leiden. Bei der persönlichen Schutzausrüstung weiter zwischen Risiko- und Nicht-Risikogruppen zu differenzieren, empfinde ich als zynisch“, konstatiert Jörg Engels.

Hier zeige sich, dass das Kultusministerium trotz steigender Infektionszahlen nicht die Sicherheit und Gesundheit der Schülerinnen und Schüler einerseits sowie der Lehrerinnen und Lehrer andererseits im Blick hat, sondern mit aller Macht den Normalbetrieb an Schulen durchsetzt. „Wenn man überhaupt von einem normalen Unterricht sprechen kann“, wirft Verena Körner-Pohl, Haupt- und Realschullehrerin in Rodenbach ein. „Wichtige soziale Arbeitsformen wie Gruppen- und Partnerarbeit können nur unter sehr erschwerten Bedingungen und sehr eingeschränkt angeboten werden, vielerorts sollen sie sogar unterbleiben. Den meisten unserer Schülerinnen und Schüler wird ein solcher Unterricht nicht gerecht“, beklagt Brigitte Fuhrich, sozialpädagogische Fachkraft in Hanau.

Wie lief der Umgang mit dem Problem der Reiserückkehrer?

Zwei Tage vor Ferien erreichte die Schulleitungen ein Schreiben des Schulamtes mit dem Auftrag, die telefonische Abfrage an die Eltern zu starten, ob sich diese während der Ferien in Risikogebieten im Ausland aufgehalten haben. Dieser Auftrag klang zuerst wie eine Dienstanweisung, wurde dann aber auf Nachfrage am Amt als „Empfehlung“ bezeichnet. „Ich finde den Grundgedanken, der dahinter steht gut, aber hätte dies nicht schon früher durchgeführt werden können und vor allem: ist das denn die Aufgabe der Schulen?“, fragt Nicole Schleiff.

„Endlich Tests für Lehrer?“ oder „Na, vielen Dank!“

Nach den Sommerferien bis Oktober haben die Lehrkräfte die Möglichkeit, sich auf Kosten des Land Hessens 5 mal testen zu lassen. Dies klingt zwar zunächst gut, läuft aber in der Praxis vielfach nicht: Arztpraxen fordern zum Teil Vorkasse oder verweigern gar die Tests, auf das Ergebnis warten die Lehrkräfte mitunter länger als eine Woche. Auch ist zu bezweifeln, inwiefern es sich hier um eine Fürsorgeleistung des Landes für seine Beschäftigten handelt: Um das Infektionsgeschehen an den Schulen zu kontrollieren und mögliche Ansteckungen zu verhindern, müssten auch die Kinder getestet werden.

Was sind ihre Erwartungen an die Verantwortlichen?

„Wir ärgern uns über die kurzsichtige Planung, die nicht erwägt, wie sich die Situation verändern wird, wenn man an den Herbst denkt“, sagt Nicole Schleiff. Man merke, dass Menschen, die vor Ort in Schule arbeiten, nicht auf angemessene Weise in die Planung eingebunden gewesen sein können. Allein das geforderte Händewaschen, das als eine der letzten verbindlichen Schutzmaßnahmen geblieben ist, kann in der vorgegebenen Form nicht durchgeführt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen beim Betreten des Klassenzimmers, beim Auf- und Absetzen der Masken, vor und nach den Pausen ihre Hände waschen. Bei Klassengrößen von bis zu 30 Personen und mehr kommt da ein immenser zeitlicher Aufwand zusammen. Wenn überhaupt ein Waschbecken im Klassenzimmer vorhanden ist! Denn ohne ein solches sind die Vorgaben des gültigen Hygieneplans gar nicht umzusetzen. Ebenso ist das Lüften der oft vollbesetzten Räume vielerorts durch verschlossene Sicherheitsfenster gar nicht möglich. Zu diesen Punkten hat der GEW-Kreisverband Hanau aktuell eine Umfrage gestartet, deren Ergebnisse mit den Schulträgern, der Stadt Hanau und dem Main-Kinzig-Kreis, diskutiert werden sollen.

Was ärgert sie an der Haltung der Verantwortlichen?

„Uns ist klar, dass die Kinder und die Gesellschaft auf eine funktionierende Schule angewiesen sind. Dafür stehen wir auch als Bildungsgewerkschaft und setzen uns dafür nicht erst seit Corona nach Kräften ein“, betont Barbara Watteroth-Mann, Grundschullehrerin in Linsengericht. Allerdings ist die Pandemie noch lange nicht vorüber, und eine Normalität mit Corona kann einfach nicht der Normalität vor Corona entsprechen. Wäre es nicht denk- und machbar gewesen, eine Beschulung mit zweimal drei Stunden pro Tag für je die Hälfte der Klassen zu organisieren? Ein solches Modell sehen die Pädagogen auch im Hinblick auf den Herbst, wenn die Fenster geschlossen bleiben müssen und die Erkältungszeit beginnt, als tragfähiges und sinnvolles Konzept an. „Allerdings hat die Ankündigung des Kultusministeriums bereits vor den Ferien, zum neuen Schuljahr ohne Abstände mit regulären Klassengrößen zu starten, viele Schulleitungen in ihren Bemühungen ausgebremst, eine vorausschauende und flexible Planung für das neue Schuljahr erarbeiten zu können“, so Jörg Engels. Die Betroffenen hätten sich gewünscht, wenn auch das Kultusministerium die Widersprüche wahrgenommen und eingestanden hätte. Die Erfahrungen der Menschen, die vor Ort in den Schulen arbeiten, dürften nicht länger außer Acht gelassen werden. Sie könnten eine gute Grundlage für den Spagat zwischen dem Anspruch auf Bildung einerseits und der berechtigten Sorgen um die Gesundheit andererseits bilden.