„Herr Minister, wie sollen wir das alles noch schaffen?“

GEW Kreisvorstand Gelnhausen fordert mehr Unterstützung und realistische Vorgaben vom Kultusministerium

Der Kreisvorstand der Bildungsgewerkschaft GEW im Altkreis Gelnhausen traf in der vergangenen Woche, wie zu Pandemiezeiten üblich online, um die derzeitige Situation an den Schulen zu beraten. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Schulformen im Kreisvorstand stellten fest, dass die Situation in den Schulen kaum zu vergleichen ist. Während an der einen Schule noch mit der Technik gekämpft wird, ist an anderen Schulen der digitale Unterricht schon eingespielte Routine. „Die Schulleitungen, die Kolleginnen und Kollegen tun ihr Möglichstes, um das Beste aus der derzeitigen Situation zu machen – aber das Kultusministerium hat lange Zeit eindeutig geschlafen“, konstatiert Mario Wagner (Gesamtschule), Mitglied des dreiköpfigen Vorsitzenden-Teams, zu dem auch Heike Rickert – Fischer (Grundschule) und Herbert Graf (Gymnasium) gehören. „Die dienstlichen E-Mail-Adressen sind immer noch nicht funktionsfähig, das Schulportal fällt immer wieder aus, die angekündigten dienstlichen Endgeräte sind nach wie vor nur eine Ankündigung und dringend notwendige Erlasse treffen immer erst in letzter Sekunde in den Schulen ein“, ergänzt Herbert Graf.   Er nennt als Beispiele den Erlass zum Einsatz von Videokonferenzsystemen für Zeugniskonferenzen oder den Erlass zum Thema Mehrarbeit. „Am Ende dieser Woche wurde nun endlich zumindest teilweise Klarheit geschaffen, wie immer auf den letzten Drücker“, meint Heike Rickert-Fischer dazu. „Wir fordern eine rechtzeitige Übermittlung von Rechtsgrundlagen an die Schulen, verlässlichere Perspektiven, was die technische und netzwerkmäßige Ausstattung betrifft und nicht zuletzt eine klare Prioritätensetzung bei der Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte. Schließlich hat das Kultusministerium auch eine Fürsorgepflicht!“, führt Herbert Graf weiter aus.

Mehrarbeit wird durch die Lehrkräfte zuhauf geleistet. Diese müssen Enormes leisten: Morgens die Kinder in Präsenz unterrichten, nachmittags die Kinder im Distanzunterricht betreuen oder aber beides parallel bewerkstelligen, auf mehrere Räume aufgeteilte Klassen parallel unterrichten, Notenbesprechungen per Telefon durchführen usw. „Viele sind am Rande ihrer Belastbarkeit und manche auch schon darüber hinaus, besonders auch an den Grundschulen“, meint Barbara Watteroth-Mann, Grundschullehrerin und Geschäftsführerin des Kreisverbandes. Und das wird gemäß den neuen Schreiben aus Wiesbaden auch noch so weitergehen.  „Uns ist völlig unklar, wie wir an den Schulen all das bewältigen sollen, was der Minister sich so vorstellt: Präsenzunterricht für die Abschlussklassen in zwei Klassenräumen gleichzeitig (der Mindestabstand muss ja eingehalten werden) , Wechselunterricht für die Klassen 1 – 6, Distanzunterricht für die Klassen 7 – 8/9 und neuerdings auch noch eine Notbetreuung – und alles gleichzeitig“, beklagt Julia Czech (Gesamtschule), Mitglied im Kreisvorstand.

Hinzu kommt noch, dass das Kultusministerium sich systematisch die Welt schön rechnet. So interessiert man sich bei den statistischen Abfragen zum Schulbesuch nur für die Zahl der Kinder, die trotz aufgehobener Präsenzpflicht in die Schule kommen, obwohl sie dies nicht müssten. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen, die ebenfalls zur Schule gehen, interessiert hingegen nicht. „So entsteht doch ein völlig falsches Bild von der Realität!“, berichtet Julia Czech weiter. „Es wird der Öffentlichkeit vorgegaukelt, es seien kaum Schülerinnen und Schüler an den Schulen – und in Wirklichkeit sind es viel mehr, mit allen Konsequenzen für das Pandemiegeschehen“, ergänzt sie.

Abschließend wurde im Kreisvorstand noch die Frage aufgeworfen, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte erst so spät geimpft würden. Diese Berufsgruppen seien durchweg besonders gefährdet und benötigten dementsprechend einen besonderen Schutz. „Bei allem Verständnis für die derzeitige Prioritätensetzung bezüglich der Corona-Impfaktion hätten wir uns da eine andere Entscheidung gewünscht“, meint Mario Wagner.