Reisekosten für Lehrkräfte

Ende des jahrzehntelangen Betrugs

Gericht erklärt Verzichtserklärungen für unzulässig und ungültig!

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Führen Lehrerinnen und Lehrer Schulwanderungen, Wanderwochen, Studienfahrten usw. durch, hat der Dienstherr, d.h. das Land Hessen, ihnen die entstandenen zusätzlichen Kosten in Form der gesetzlichen Reisekostenerstattung zu ersetzen (zum Beispiel bei einer achttägigen Studienfahrt ins Ausland 200 €) – wie aber war die Praxis seit Jahrzehnten?

Da die den Schulen für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel viel zu gering waren, erhielten die meisten Lehrkräfte entweder überhaupt keine Erstattung ihrer Kosten oder nur Mini-Summen, da zahlreiche Lehrkräfte einer Schule sich die wenigen Euro teilen mussten. Besonders gern gesehen war daher der vorherige schriftliche Verzicht auf Erstattung der zustehenden Reisekosten; teilweise wurden die entsprechenden Fahrten von der Schulleitung erst dann genehmigt, wenn alle teilnehmenden Lehrkräfte vorher entsprechende Verzichtserklärungen unterschrieben haben.

Diese, im Bereich der sonstigen öffentlichen Verwaltung völlig unübliche Umgehensweise mit Bediensteten, führte verständlicherweise immer wieder zu erheblicher Verärgerung und heftiger Kritik: Entgegen dem in der Öffentlichkeit gern kolportierten Eindruck von zusätzlichen erholsamen Urlaubstagen mit gelegentlicher stets angenehmer Kinderbegleitung wissen Lehrerinnen und Lehrer sehr wohl, welche erhebliche zusätzlich Belastung entsteht, welche Verantwortung übernommen wird – und dann durfte man dafür auch noch selbst bezahlen!

Doch nun ist das Ende der Auseinandersetzung greifbar:

Mit Unterstützung der GEW ist es einem Kollegen gelungen, die Praxis der „freiwilligen“ Verzichtserklärungen zu Fall zu bringen – in einem Musterprozess ( es ging nur um 26,60 € ) wurde durch das Verwaltungsgericht Gießen am 18. März 2008 entschieden, dass der Lehrkraft die ihr zustehende Reisekostenerstattung zu gewähren ist. Von besonderer Bedeutung ist folgende Formulierung der Urteilsbegründung: „Aufgrund der Verknüpfung der Teilnahme an einer Klassenfahrt mit der Abgabe der geforderten Verzichtserklärung kann ein Interessenwiderstreit des Beamten entstehen. Es obliegt nach Auffassung des Gerichtes dem Dienstherrn, im Rahmen des das Beamtenverhältnis prägende Dienst- und Treueverhältnisses zum Schutz des Beamten derartige Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen; der Dienstherr ist deshalb aufgrund seiner Fürsorgeverpflichtung gehalten, den Beamten von vornherein nicht vor die Wahl zu stellen, ob er die geforderte Verzichtserklärung abgibt und die Klassenfahrt stattfindet oder nicht“ (VG Gießen 18.3.2008 9 E 2055 /07 ).

Die rechtliche Prüfung dieses Urteils im Hessischen Kultusministerium zog sich einige Monate hin, inzwischen wurde es durch Rücknahme des ursprünglich beantragten Revisionsverfahrens rechtskräftig und unanfechtbar!

Was ergibt sich aus diesem Urteil für Lehrerinnen und Lehrer in Hessen?

  1.  Alle Lehrerinnen und Lehrer mit Anspruch auf Reisekosten können diese 1 Jahr rückwirkend beantragen, selbst wenn sie eine „freiwillige“ Verzichtserklärung abgegeben haben; die nach dem Erlass vom 15.9.2003 (Amtsblatt 10/2003) zu gewährenden Reisekosten müssen auf jeden Fall bezahlt werden, egal aus welchem Etat der Schule (auch Reste von Uplus – Mitteln dürfen verwendet werden) oder des Schulamtes – also rückwirkend Antrag stellen und nicht abwimmeln lassen!
    Lehrkräfte haben einen Anspruch auf volle Erstattung der ihnen auf Dienstreisen entstandenen Mehraufwendungen nach dem Hessischen Reisekostengesetz.
  2. Für zukünftige Fahrten keinerlei Verzichtserklärungen mehr abgeben (eigentlich dürfte auch keine Schulleitung mehr entsprechende Erwartungen äußern).
  3. Die Schulen erstellen einen Schulwanderungen- und –fahrtenplan im Rahmen der von der Schule zu erwartenden Mittel zur Erstattung der Reisekosten (Punkt VII Nr.2 Erlass siehe oben); bei der Beschlussfassung in Gesamt- und Schulkonferenz die Beachtung des Gerichtsurteils sicherstellen (Verbot von Verzichtserklärungen). Nur dann besteht eine Chance, dass bei der Aufstellung des Haushaltes 2009 für das Land Hessen die hierfür notwendigen zusätzlichen Millionen € eingeplant werden.
  4. Auf Gesamtkonferenz und Personalversammlung über dieses erfreuliche Urteil und die sich daraus ergebenden Konsequenzen diskutieren – eventuell für die eigene Schule den ungefähren finanziellen Bedarf für eine angemessene Reisekostenerstattung ermitteln und diese Summe in einer Resolution als Haushaltsmittel für 2009 anfordern.